Ich war die letzten 3 Wochen in Thailand unterwegs – und habe dabei gemeinsam mit meiner Frau eine Menge Bilder und super deepe philosophische Eindrücke gesammelt und mitgebracht.

Eckdaten:
16.07.2019 – 19.07.2019 Bangkok
19.07.2019 – 25.07.2019 Ko Pha-ngan
25.07.2019 – 31.07.2019 Phuket

Bangkok

Bangkok wirkt nicht wie eine Großstadt, wenn man mitten drin ist. Eher wie ein gigantisches Dorf. Es ist meistens nicht sehr hoch, sondern eher flach gebaut und jeder scheint an jeder Ecke seine eigene Suppe zu kochen.

Wirtschaft

Ich war mir gar nicht bewusst, dass Thailand bis vor kurzem der hauptsächlich vom Obst- und Reis-Export lebte, bis durch Flut und Dürre die sämtliche Äcker nachhaltig zerstört wurden. Jetzt ist Vietnam Export-Meister der Region und Thailand hat die Weichen gestellt um Tourismus wirtschaftlich noch stärker zu fördern, so dass es nun die Haupt Einnahmequelle ist.

Verkehr

Wie überall in Asien gibt es sehr viele Roller, die sich halsbrecherisch in den fliessenden Verkehr einsortieren (um es mal positiv zu formulieren).
Wir haben unserer lokalen Guide vom Verkehr in Deutschland erzählt. Sie verstand überhaupt nicht, wie man voran kommen soll, wenn man ständig in seiner Spur bleiben soll.

Zuletzt bin ich in Asien auf Bali Roller gefahren. Und ich muss sagen, dass hier mehr Verkehrsregeln durchgesetzt werden als in Indonesien. Hier werden Roller Fahrer ohne Helm auch mal zur Kasse gebeten. Und wir waren Live dabei, als unserem Grab Fahrer das Auto von der Polizei stillgelegt wurde, da er keine Lizenz zur Personenbeförderung hatte.

Grab – das kann man sich vorstellen wie uber. Menschen, die sich etwas dazu verdienen wollen, fahren Gäste in einem privaten PKW umher. Vermittelt wird das durch eine App. Bzw aus Fahrer Sicht ist es bestimmt wie in GTA: Dein Telefon klingelt, jemand steigt, dir wird angezeigt wo du hin musst – und am Ende taucht wie von Zauberhand das Geld auf deinem Konto auf.

Wir nutzen das ganz gerne um hier durch die Stadt zu kommen. Man kann sich sicher sein, dass man nicht beschissen wird und für umgerechnet 2-3€ kommt man in einem klimatisierten Auto fast überall hin.

Klongs

Klongs sind die Kanäle, die Bangkok durchziehen. Auf ihnen fahren Longtail Boat, die mit Motoren japanischer Trucks bestückt sind.

Klong – Das hört sich nicht nur so an, wie wenn ein Schraubenschlüssel auf den Boden fällt, das Fahrgefühl auf einem solchen Longtail Boat ist auch nicht weit weg davon. Man kann es sich in etwa so vorstellen, wie wenn man einen Traktor mit einem Schlauchboot kreuzt – und dann in einem Abwasserkanal Amok fährt. Mein persönliches Highlight des Tages.

Die Häuser an den Klongs werden auf traditionelle Bauweise gefertigt – aus Holz und Wellblech, auf Pfählen. Wenn einer verrottet, wird er nebenan durch einen neuen ersetzt. So wird die strukturelle Integrität auf organische Art und weise sichergestellt.

Die Menschen / Familien wohnen schon immer hier. Aber neuerdings wird Land mit hohem Gewinn auch an Investoren verkauft, die darauf Einheitshütten bauen.

Glauben

Einmal im Leben geht ein junger Erwachsener hier in den Tempel für einen beliebig langen Zeitraum. Eine Woche oder ein ganzes Jahr.

Ansonsten scheint es üblich zu sein, wenn man vor einer schwierigeren privaten Problemstellung ist auch einfach mal nur ein paar wenige Tage in den Tempel zu gehen, bis man es gelöst hat.

Sehr sympathischer Ansatz. Eine kleine Auszeit wünschen wir uns im Westen ja auch hin und wieder – in Thailand scheint mir das gesellschaftlich akzeptierter.

Dafür nimmt hier niemand psychologische Hilfe in Anspruch, da sie mit einem noch höheren Makel belegt ist, als bei uns.

Buddhismus

Ich denke auch über das Glaubenssystem der Thailänder nach.

Es ist vordergründig zwar der Buddhismus, aber nicht wie er uns im Westen (isoliert) begegnet. Es gibt hier auch starke Einflüsse der alten Naturreligionen (Glauben an gute und böse Geister) sowie Aberglauben, in Form von Glücksbringern und Amuletten.

Mich irritiert das, da der Buddhismus als Weltanschauung in meinem (westlichen) Verständnis einem solchem Aberglauben diametral entgegensetzt ist.

Andererseits sieht man auch schön, wie hier eine Gesellschaft im Wandel ist – nur eben später als wir im Westen. Das Christentum brauchte ja auch über tausend Jahre bis es vorherrschend war – und kurz darauf wurde es direkt wieder reformiert.

Vielleicht ist aber ja auch genau das eben das Ideal der Freiheit: Lebensanschauung und Ziele zu wählen, ohne ewige Gültigkeit für sie in Anspruch zu nehmen. Prinzipien sind ja nicht deshalb weniger heilig, weil ihre Dauerhaftigkeit nicht garantiert werden kann. (Inspiriert von Isaiah Berlin)

Streetfood

Essen hat in Thailand wohl generell einen sehr hohen Stellenwert. Zuhause wird nur im Familienverbund gekocht, ansonsten scheint sich hier jeder etwas beim nächsten Streetfood Stand zu holen, anstatt selbst zu kochen.

Jay Fai

Jay Fai ist eine 70 jährige Street Food Chef, die alleine, in Gummistiefeln, Wollmütze und Skibrille, über Holzkohle kocht. Dafür wurde sie als erstes Street Food überhaupt mit einem Michelin Stern ausgezeichnet und hat jüngst eine Netflix Doku bekommen.
Und ich muss sagen: zurecht. Und zwar nicht nur in kleine Portiönchen, wie man es von einem Stern erwartet, sondern richtig volle Teller und dann einfach nur mampfen bis zum Food Coma – auf unglaublich hohem Niveau.

Ko Pha-ngan

Nächste Station auf der Reise, die Metropole Bangkok eingetauscht gegen eine Mini Insel.

Das ganze Insel-Leben pulsiert hier. Bei der Wasserversorgung pulsiert der Wasserstrahl, die Lichter pulsieren durch Elektrizitätsschwankungen, ,… Manchmal fällt es auch ganz aus, der Strom – aber auch das Leben. Doch meist ist es schnell zurück.

Touristen werden gebracht, jedem wird ein individuell einmaliges Erlebnis generiert, anschliessend woeder von der Insel weg gebracht.

Man kommt als Tourist selbst schnell klar wenn man sich dem Puls hingibt und mit dem Strom schwimmt. Alles ist sehr gut erschlossen hier. Man kommt an alles schnell ran, eignet sich für jemanden Ü30 also gut zum chillen, mehr aber nicht.

Der eigentliche USP der Insel ist ja die berühmt berüchtigten Fullmoon Techno Party. Dann Gerät der Puls etwas aus dem Lot.

Dann sind nämlich zu viele Menschen hier. Und dann fällt auch großflächig der Strom aus, um Licht und Sound zu betreiben.
Aber die meisten Partygäste knipsen sich (durch überhören Alkohol Konsum) selbst das Licht aus. Passt also alles wieder.

Songthaew

Auffällig ist, dass hier auf der Insel alles gleich kostet. Wäscherei, Massage, Roller, Taxi – immer ein Einheitspreis.

Die Qualität ist zwar auch immer vergleichbar, dadurch immerhin weniger Chance zum Betrug als in Bangkok. Man merkt, dass sie auf Touristen angewiesen sind.

Bei den Sammeltaxis (Songthaew) gibt es sogar noch eine Art Zuhälter. Dieser verteilt die Touristen auf die Taxis und nimmt das Geld von Ihnen. Anschließend zählt er es und steckt es in seine Hemdtasche. Vermutlich um es anschließend ordnungsgemäß zu versteuern.

Plastik

Das ist hier auch echt ein Thema.

Traurig, dass man gezwungen ist, sämtliches Trinkwasser in Plastikflaschen zu kaufen, weil man das Leitungswasser nicht bedenkenlos trinken kann.

Dann gibt es auch leider kein Mehrwert System. Generell kein nennenswertes Recycling.
Dafür aber regelmäßig in den frühen Abendstunden private Müll-Verbrennungen im Vorgarten.

Plastiktüten sind hier auch noch allerorts. Aber immerhin Tesco, als fortschrittlicher Weltkonzern bewegt sich etwas. Dort gibt es immerhin am 4. jeden Monats keine Plastiktüten.

Ko Samui

Der Transfer nach Phuket ging über Ko Samui. (Ich habe ja eine Schwäche für Provinz-Flughäfen, dieser hier erinnert mit seinen Wägelchen an Disney-Land). Die Insel ist ca. 10x so groß. Nach einer Woche Mini-Insel fallen mir hier Dinge auf: Es gibt Reifenhändler, sogar mit ganz speziellen fancy Felgen, es gibt Pizza mit Käsekruste und man kann sich Dirndl schneidern lassen.

Ein Erklärungsversuch.

Wirtschaftlich:
Je größer eine Population / Gesellschaft / potentielle Zielgruppe, desto eher kann sich ein Business spezialisieren. Auf Ko Pha-ngan gab es hauptsächlich kleine Shops, die alles anbieten. Allround-Auto Läden, Essensstände und Schneider.

Sozialpsychologisch:
Die maslowsche Bedürfnispyramide lehrt uns, das wir zuerst unsere Grundbedürfnisse decken müssen, bevor es am Ende an die Selbstverwirklichung geht.

Phuket

Nun also Phuket – zwar Tourismus-Hochburg, aber zurecht. Ich habe noch nie so feinen Sand und so starke Wellen erlebt.

In Phuket waren wir in einem all Inkl. Resort, quasi um Urlaub von der Reise zu machen. Wir bevorzugen dafür generell eine bestimmte französische Clubkette – die Abwesenheit vieler Deutscher Pauschal-Urlauber dort macht entspannen leichter.

Wellen

Wellen in der Brandung sind ein wunderbares Gleichnis fürs Leben. Man steht mehr oder weniger stabil, und kriegt dann unterschiedlich große Herausforderung mitten ins Gesicht. Man kann sich dann zu einem gewissen Maß noch überlegen wie man darauf reagiert (hochschwimmen, hüpfen, umdrehen, ..) – manchmal ist es aber auch einfac zu spät, um zu reagieren.

Eine schöne existenzielle Weltanschauung: Das eigene Leben als Gleichung zwischen Freiheit (wir haben die Freiheit, uns vorstellen zu können, was in unserem Leben alles möglich sein kann) und Faktizität (man ist eingeschränkt dadurch, wie man ins Leben geworfen wurde, Geschlecht, Wohlstand, Prägung durch nahe Menschen, etc. Diese Gleichung definiert unsere Existenz und kann nie aufgelöst werden.
Einzig der Spielraum der dazwischen besteht, kann benutzt werden um unser Leben aktiv kreativ zu gestalten.

China

Und so war es auch. Ich dachte aber mehr über China, bzw. Chinesische Pauschalurlauber nach, als über Thailand, denn diese waren hier in der Überzahl. Es ist ein beliebtes Urlaubsziel für China und seit Generationen leben hier Gastarbeiter, wegen der Zinnvorkommen (glaube ich).

Sehnsucht nach westlicher Symbolik

Markenklamotten sind das große Ding. Viele der Urlauber sind sich ihrem Aufstieg bewusst und leben ihn total aus und orientieren sich dabei Stark an unseren westlichen Idealen und Symbolen.
Erstmal: Klamotten von Herrn Tommy Hilfiger sind hier unglaublich beliebt. Das kann ich ja noch verstehen, denn die Marke steht ja für überhaupt nichts, außer für einen gewissen Wohlstand.

Ansonsten wirken viele von den chinesischen Pauschal-Urlaubern als kommen sie gerade von der Resterampe eines Luxuskaufhauses. Alles Marken, allesamt keine Fakes, aber total random zusammengestellt. Und dabei stehen die Kleidungsstücke überhaupt nicht mehr für das, womit sie der westlichen Welt aufgeladen sind. Dickies als ehemalige Arbeiter Marke zb, (hierzulande vor allem bei Skatern und “Alternativen” beliebt) wird vom untersetzen durchschnittlichen Familien Vater zum Dinner getragen. Sehr beliebt sind auch Markenartikel der Marke “Jeep” – Identifikation mit dem ganz wilden Westen? Highlight aber war ein Tennis-Dress von Coco Channel für den Schnorchelausflug – kann man machen, wir würden aber vermutlich eher zu auf Funktionsklamotten aus Plastik zurückgreifen.

Noch mehr Plastik

Plastik ist hier eher zum Baden angesagt. Beim Schwimmen als Sonnenschutz darf kein Stück haut an die Sonne, weiße Haut ist hier ein Zeichen von Wohlstand (im Gegensatz zu uns im Westen – aber man will ja immer das, was man nicht hat). Das geht sogar so weit, das manche einen Neopren-Anzug um Pool oder gar im Restaurant tragen.

Tja.

Ich meine – am Ende des Tages sind das alles gesellschaftliche Konventionen. Das Weltbild / die Werte eines Menschen werden dadurch definiert, was seine Umwelt für akzeptabel oder erstrebenswert hält. Wir im Westen, auf der anderen Seite eignen uns ja genauso fernöstliche Symbolik an, z.b. mit chinesischen Schriftzeichen als Tattoos, die sowohl für Glück als auch für Nudelsuppe stehen können.

Grundsätzlich ist es aber schon krass, zu beobachten wie sich ein Anteil der Weltbevölkerung verhält, der so schnell an Wohlstand gewonnen hat. So stelle ich mir vor, das die Bundesrepublik zu Zeiten des Wirtschaftswunders ausgeflippt ist.

Spannend wenn man diese Entwicklung auf der Überholspur ein paar Jahre vor dreht. Dann wird China vielleicht schon in 5 Jahren die Bedarfe haben, die wir erst 50 Jahre nach dem Wirtschaftswunder entwickelt haben.

Und wer dies beobachten kann, dem präsentieren sich bestimmt auch einige Geschäftsmodell auf dem Silbertablett. Vermutlich dürften Fragestellungen im Rahmen der persönlichen Sinnsuche und Angst vor Vergänglichkeit in einer Globalisierung Welt auch in der Breite demnächst aufpoppen. Fragen an uns, die für uns im Gegensatz zu materieller Erfüllung stehen und die wir lustigerweise oft mit fernöstlichen Methoden (Meditation, Zen, etc.) zu lösen versuchen.

Danksagung

In erster Linie möchte ich dem Planeten Erde danken, dass er so ist, wie er ist. Und hoffentlich so bleibt – auch wenn das in der derzeitigen Lage recht unwahrscheinlich ist.

Ich bin sehr dankbar, diesen Planeten bereisen zu können, demütig und wohlwissend in welche privilegierten Situation man sich befindet, bemüht auch darum, den Footprint entsprechend zu kompensieren.

Aber nach einem Jahr des intensiven Arbeitens an Projekten für westliche Zielgruppen, muss ich sagen, wie gut es tat auch mal wieder eine andere Kulture kennenzulernen und zu verstehen. Um damit auch die eigene (und sich selbst) besser zu verstehen.

Published by Klaus Breyer

CTO und Advisory Board Member für Startups

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